Das geht aus einem Bericht der brasilianischen Nichtregierungsorganisation „Repórter Brasil“ hervor, der dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ exklusiv vorliegt. Auch internationale Medien wie „El Pais“ und der „Corriere della Sera“ berichten über die Recherche.
Keine Arbeitsverträge, Hungerlöhne, gefährliche Bedingungen
Untersucht wurden vier Plantagen in den Regionen Antioquia und Huila:
- Finca Los Naranjos (Salgar)
- Finca La Siberia
- Finca San Fernando (Ciudad Bolivar)
- Farm La Arboleda
Dort berichten Arbeiter – viele von ihnen Migranten aus Venezuela – von langen Arbeitstagen ohne Arbeitsverträge. Auf der Farm San Fernando verdienten die Beschäftigten gerade einmal 32.000 Pesos pro Tag, umgerechnet weniger als 7 Euro. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn in Kolumbien liegt bei rund 300 Euro pro Monat.
Auf der Finca La Arboleda beginnt die Ernte morgens um 6:30 Uhr und endet erst mit Sonnenuntergang. Zudem fehlen Krankenversicherungen. Bei Unfällen müssten sich die Arbeiter selbst um medizinische Versorgung kümmern.
Auch die Unterkünfte sind katastrophal: Schmutzige, schlecht belüftete Räume, Etagenbetten ohne Schließfächer. Auf der Finca Los Naranjos hängen die Arbeiter Kaffeesäcke als Vorhänge auf, um etwas Privatsphäre zu haben.
Fairtrade und Rainforest Alliance bestätigen Zertifizierung
Auf Anfrage von „Report Mainz“ räumt Fairtrade ein: „Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte sind ein strukturelles Problem, das im kolumbianischen Kaffeesektor weit verbreitet ist.“ Zwei Kooperativen, die von der Finca La Siberia und Finca Los Naranjos beliefert werden, sind aktuell Fairtrade-zertifiziert.
Auch die Rainforest Alliance bestätigt, dass die Finca Los Naranjos Teil einer zertifizierten Kooperative ist. Die Finca San Fernando habe eine Zertifizierung beantragt, aber noch nicht erhalten.
Auf der Finca La Arboleda seien bereits 2023 Mängel bei Arbeitsverträgen und Unterbringung festgestellt worden.
Starbucks, Tchibo, Nestlé und Co reagieren
Viele große Händler – darunter Starbucks, Tchibo, Nestlé, Melitta, Lidl, Aldi, Edeka und Jacobs Douwe Egberts – verneinen, derzeit Rohkaffee von den betroffenen Plantagen zu beziehen.
Starbucks erklärte gegenüber „Repórter Brasil“, dass aktuell keine der vier Farmen C.A.F.E.-Practices-zertifiziert sei und man keinen Kaffee von ihnen kaufe. Frühere Zertifizierungen seien ausgelaufen.
Auch das 4C-Siegel sei laut eigenen Angaben mittlerweile nicht mehr gültig für diese Farmen – das entsprechende Logo am Eingang sei veraltet.
Mehrere Unternehmen verwiesen gegenüber „Report Mainz“ darauf, dass sie kolumbianischen Kaffee ausschließlich über andere Lieferanten beziehen. Rewe, Lavazza und Dallmayr antworteten gar nicht.
Strukturelles Problem im Kaffeesektor
Laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus 2022 arbeiten in Kolumbiens Kaffeesektor 85 Prozent der Beschäftigten im informellen Bereich – ohne Arbeitsvertrag.
„Unser Kaffeesektor hat eine fast 300-jährige Geschichte, und wir haben es immer noch nicht geschafft, faire Arbeitsbedingungen für Kaffeeproduzenten und Pflücker zu schaffen“, sagt Paola Campuzano, Projektkoordinatorin der ILO in Kolumbien.
Konsequenzen angekündigt
Fairtrade und die Rainforest Alliance kündigten gegenüber „Report Mainz“ weitere Untersuchungen an. Ob diese kurzfristig zu Veränderungen führen, bleibt offen.