Vom Badhof zur Kur-Oase – und wieder zurück
Erstmals erwähnt wurde die schwefelhaltige Quelle im Jahr 1467, als sie zum Besitz der nahen Burg Tannegg gehörte. Schon bald entstand ein Hof – der „Badhof“ – der nicht nur Landwirtschaft betrieb, sondern auch Badegäste anlockte. Spätestens ab 1839 entwickelte sich unter Jakob Kromer aus dem Gehöft eine kleine Heilbadeanstalt. Eine chemische Analyse bestätigte: Das Wasser wirkte! Krätze, Ausschläge – manch einer schwor auf das „Boller Wasser“.

Bild: J. A. Binder – Buchstapler, CC BY-SA 4.0, Link
Mitte des 19. Jahrhunderts ging es dann richtig los. Badhaus, Kurhaus, Kapelle, Park mit Springbrunnen – alles wurde neu errichtet oder modernisiert. Carl Schuster, einst Freiburger Oberbürgermeister, machte Bad Boll zu einem Juwel im Tal. Sogar eine eigene Turbine versorgte den Ort mit Strom. Der Wasserfall wurde beleuchtet, Gäste flanierten an den künstlich angelegten Weihern entlang – Bad Boll war ein Ort der Hoffnung und Heilung.
Von englischer Idylle bis zum Erdrutsch
Nach Schusters Tod übernahm der Londoner „Fishing Club“ das Gelände. Die Briten interessierten sich weniger für Heilung als fürs Fliegenfischen – und nutzten die Wutach zur Forellenzucht. Doch als die Wasserqualität durch Industrieabwasser sank, verließen sie das Tal.
Es folgte ein stetes Auf und Ab: Die AOK Göppingen, später die Deutsche Gesellschaft für Kaufmannserholungsheime, machten Bad Boll zum Genesungsheim. Die Franzosen beschlagnahmten es nach dem Krieg. Dann kam Dr. Werner Schütze, wollte eine Privatklinik betreiben – und scheiterte. 1975 brannte das Kurhaus, 1976 starb Schütze – das Ende für Bad Boll schien besiegelt.
Ein letzter Versuch kam 1981: Zwei Brüder kauften den verlassenen Ort, eröffneten eine Waldschenke, planten Schullandheime. Doch Behörden und Naturschutz stoppten den Neustart. 1992/93 wurden alle Gebäude – bis auf die Kapelle – abgerissen.
Ein Ort, der nicht loslässt
Doch Bad Boll verschwand nicht still. 1977, während der Schleyer-Entführung durch die RAF, durchkämmte das BKA das Areal – mögliche Terroristenverstecke? Man fand nichts. Später setzten sich Initiativen für den Erhalt der Kapelle ein. Der Abriss konnte verhindert werden – doch der Zugang bleibt schwer, die Sanierung zäh.

Foto: Spitzkehre – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link
Dazu kam 2017 ein massiver Erdrutsch, der rund 50.000 Kubikmeter Geröll ins Tal schickte. Die Wege wurden verschüttet, der Ort praktisch abgeschnitten. Und dennoch: Die Quelle sprudelt. Die Kapelle steht. Und wer den versteckten Pfad wagt, spürt noch heute die Magie dieses verlorenen Ortes.