Eine Explosion mit globaler Wirkung
Am 15. Januar 2022 schleuderte der Tonga-Vulkan eine beispiellose Menge an Material in die Höhe: Fast 150 Millionen Tonnen Wasserdampf gelangten bis in die Stratosphäre – eine normalerweise extrem trockene Atmosphärenschicht in 20 bis 50 Kilometern Höhe.
Der Anteil dieses Wasserdampfs entsprach mehr als zehn Prozent des üblichen Gehalts der gesamten Stratosphäre. Damit hat sich der Feuchtigkeitsgehalt in dieser Zone sprunghaft erhöht – ein Zustand, der sich laut Wissenschaftlern erst in mehreren Jahren wieder normalisieren dürfte.
Warum dieser Ausbruch anders war als alle zuvor
Anders als bei den meisten großen Eruptionen wurde beim Tonga-Ausbruch kaum Schwefeldioxid ausgestoßen. Dadurch fehlte jener kühlende Effekt, der durch Aerosole entsteht, wenn sie Sonnenstrahlen reflektieren.
Stattdessen dominierte der Wasserdampf – und der wirkt wie ein Treibhauseffekt-Verstärker. Während Kohlendioxid zwar langfristig wirksamer, aber in geringerer Konzentration vorhanden ist, trägt Wasserdampf kurzfristig deutlich stärker zur Erwärmung bei.
Das Ergebnis: Statt einer temporären Abkühlung nach einem großen Ausbruch hat die Tonga-Eruption das globale Klima zusätzlich erwärmt.
Ein weltweites Klimalabor
Seit der Eruption haben sich die Wasserdampfpartikel rund um den Globus verteilt – selbst bis in die Polarregionen. Dadurch wurde auch die obere Atmosphäre beeinflusst, was möglicherweise Auswirkungen auf den Polarwirbel haben könnte.
Welche konkreten Folgen das für die Winterwitterung in Europa oder Nordamerika haben wird, ist noch unklar. Das Ereignis gilt als einzigartig in der jüngeren Geschichte – belastbare Erfahrungswerte fehlen.
Forschende der University of Oxford haben in einer Studie festgestellt, dass sich durch die Tonga-Eruption die Wahrscheinlichkeit, das 1,5-Grad-Ziel zu überschreiten, um rund sieben Prozent erhöht haben könnte.
Klimawandel im Turbogang
Seit 2023 werden auf der ganzen Welt Rekordtemperaturen gemessen – an Land und in den Ozeanen. Viele Regionen verzeichnen Werte, die weit über bisherigen Spitzen liegen. Selbst die Meeresoberflächen sind deutlich wärmer als je zuvor.
Meteorologen vom WetterOnline sprechen in diesem Zusammenhang von marinen Hitzewellen, in der Fachsprache auch „Blob“ genannt. Diese Wärmeanomalien treiben die Durchschnittstemperaturen der Erde zusätzlich nach oben – ein Effekt, der die ohnehin kritische Lage weiter verschärft.
Wenn mehrere Klimaeffekte sich überlagern
Die Tonga-Eruption ist jedoch nur ein Teil des aktuellen Erwärmungsphänomens. Mehrere Faktoren wirken gleichzeitig zusammen – und verstärken sich gegenseitig:
- Das Wetterphänomen El Niño verändert Meeresströmungen im tropischen Pazifik und sorgt für Hitzewellen, Dürren und Starkregen.
- Durch schwache Passatwinde gelangt weniger Saharastaub in die Atmosphäre – die Luft ist klarer und durchlässiger für Sonnenstrahlung.
- Besonders stabile Hochdruckgebiete führen zu langen Hitzeperioden, die großflächig zusätzliche Erwärmung verursachen.
Dieses Zusammenspiel sorgt für einen Klimaturbo-Effekt: Mehr Sonneneinstrahlung, mehr Hitze, weniger Abkühlung – und damit eine weltweite Beschleunigung der Erderwärmung.
Wie lange der Effekt anhält
Forscher gehen davon aus, dass sich die extremen Bedingungen allmählich wieder abschwächen. El Niño dürfte in den kommenden Monaten abklingen, der Wasserdampf in der Stratosphäre wird sich nach und nach verflüchtigen, und auch der Staubtransport aus der Sahara dürfte wieder zunehmen.
Erst danach wird sich bestimmen lassen, wie stark die Tonga-Eruption tatsächlich zum Temperaturanstieg beigetragen hat. Klar ist aber: Selbst wenn sich die kurzfristigen Effekte verringern, der Klimawandel selbst bleibt bestehen – nur möglicherweise wieder in einem etwas langsameren Tempo.
Fazit: Naturgewalt mit Nebenwirkung
Der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war nicht nur ein Naturereignis, sondern auch ein Experiment der Natur – mit globalen Folgen. Noch nie zuvor hat ein Vulkan so viel Wasserdampf in die Stratosphäre geschleudert.
Was wie eine ferne Explosion in der Südsee begann, hat das Klima unseres Planeten spürbar verändert. Die Wissenschaft steht erst am Anfang, die Mechanismen zu verstehen. Doch eines ist klar: Wenn Naturereignisse und menschlicher Einfluss zusammenwirken, kann der Klimawandel kurzfristig massiv an Fahrt aufnehmen – ein echter Turbomodus.
