Kritik an Koalitionsbesetzung

Berlin: Opposition kritisiert Ausschluss aus Wahlrechtskommission

Union und SPD haben mit der ausschließlichen Besetzung der Kommission zur Reform des Bundestagswahlrechts durch eigene Abgeordnete Empörung ausgelöst. Die Opposition fordert eine Einbindung in wichtige Entscheidungen, um Politikverdrossenheit entgegenzuwirken und demokratische Prinzipien zu wahren.
Berlin: Opposition kritisiert Ausschluss aus Wahlrechtskommission
Berlin: Opposition kritisiert Ausschluss aus Wahlrechtskommission
Stimmzettel zur Bundestagswahl 2025 (Archiv), via dts Nachrichtenagentur

Folge uns auf:

Die Entscheidung von Union und SPD, die Kommission zur Reform des Bundestagswahlrechts ausschließlich mit eigenen Abgeordneten zu besetzen, stößt auf erheblichen Unmut. „Die große Koalition muss aufhören, Königreich zu spielen, und endlich auch eine starke demokratische Opposition in ihre Entscheidungen einbeziehen“, sagte die Bundesvorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe). Schwerdtner betonte, dass alles andere den Politikverdruss erhöhe und das Gefühl verstärke, die Regierung mache an den Menschen vorbei. Es sei „beschämend, dass diese Regierung nicht einmal das schafft, was bei der Ampel noch möglich war: die Linke bei solchen Entscheidungen miteinzubeziehen“.

Die Grünen bezeichnen das Vorgehen als schlechten parlamentarischen Stil der Koalition. „In allen Wahlrechtskommissionen der letzten Jahre ging es der CDU/CSU immer als allererstes darum, ihre parteitaktischen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen und sich selbst bei der Sitzvergabe zu bevorteilen“, erklärte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann der Zeitung. Sie hob hervor, dass die Begrenzung des Bundestags auf 630 Abgeordnete und die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten durch die Ampelkoalition ein wichtiger Erfolg gewesen sei, der das Verhältniswahlrecht und ein arbeitsfähiges Parlament garantiere.

Die beiden Koalitionsfraktionen verteidigten ihre Entscheidung, keine Oppositionsabgeordneten in die neue Wahlrechtskommission aufzunehmen. „Wir wollen schnell zu einem Ergebnis kommen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe). Er argumentierte, dass alle möglichen Ideen und Konzepte bereits auf dem Tisch lägen und es daher keine langen Beratungen, sondern eine Entscheidung brauche. Dies sei „zunächst Sache der Koalition, die sich auf ein Modell einigen muss“. Fechner versicherte, dass man spätestens im Gesetzgebungsverfahren „natürlich mit Grünen und Linken sprechen“ werde, da das Wahlrecht mit breiter Mehrheit verabschiedet werden sollte.

Die Unionsfraktion behauptete ihrerseits, dass die Ampelkoalition bei ihrer Wahlrechtsänderung die damals oppositionelle Union nicht ernsthaft eingebunden habe. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger, sagte der Zeitung, die Wahlrechtsreform der Ampel sei „ein tiefgreifender Systemwechsel gewesen, weshalb eine ernsthafte und nicht nur formale Einbindung der Opposition angebracht gewesen wäre“. Die jetzige Koalition nehme hingegen nur „gezielte Korrekturen vor, um offensichtliche Mängel zu beheben – wie etwa den untragbaren Zustand, dass nicht alle Wahlkreissieger ins Parlament einziehen dürfen und einzelne Wahlkreise ganz ohne Bundestagsabgeordnete auskommen müssen“.

Die Kommission solle Vorschläge „für eine verfassungsgemäße und faire Wahlrechtskorrektur“ erarbeiten, so Bilger. Diese „Vorschläge werden dann im offen diskutiert, auch mit der Opposition. Sie ist ausdrücklich eingeladen, sich konstruktiv einzubringen“. Bilger und Fechner werden beide Mitglied der neuen Wahlrechtskommission sein.

Nach dem ab 1956 gültigen Wahlrecht wurden die Sitze, die einer Partei nach ihrem Anteil an Zweitstimmen zustehen, zunächst mit den in den Wahlkreisen durch Erststimmen errungenen Direktmandaten aufgefüllt. Wenn eine Partei mehr Direktmandate errang, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden, zogen diese zusätzlich in den Bundestag ein (Überhangmandate).

In Reaktion auf ein Verfassungsgerichtsurteil, das bemängelte, dass Stimmen für eine Partei so mitunter zu weniger Sitzen für diese Partei führen konnten, wurden 2011 zusätzlich Ausgleichsmandate eingeführt: Sie sollten dafür sorgen, dass die Sitzverteilung im Parlament dem Zweitstimmanteil der jeweiligen Partei entsprachen. Dies führte zuletzt zu einem deutlichen Anwachsen des Bundestages und einer Stärkung kleinerer . Eine kleinere Reform 2020 hatte zuletzt zur Folge, dass nicht mehr alle Überhangmandate ausgeglichen werden. Davon konnte vor allem die CSU profitieren.

Die vom Bundesverfassungsgericht weitgehend bestätigte Reform der Ampelkoalition sah zuletzt vor, dass es keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt. Damit verlieren im Vergleich zur Zeit vor 2020 alle Parteien gleichmäßig Sitze. Im Vergleich zur Situation danach trifft die Reform die CSU deutlicher als andere Parteien. Ein Nachteil der Reform ist, dass manche Wahlkreise nun nicht mehr im Bundestag vertreten sind. 23 der Erststimmensieger waren von der Regelung dieses Mal betroffen.

(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)

Anzeige

Das Könnte Sie auch interessieren

Mehr von InsideBW.de

Das könnte dich auch Interessieren – mehr aus dem Netz

Anzeige

Neueste Artikel