EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hat in einem Interview mit der „Welt“ die Bedeutung der Unabhängigkeit der Geldpolitik betont. Er warnte davor, dass ein Eingreifen von Regierungen in die Geldpolitik unweigerlich zu Inflation und steigenden Zinsen führe, eine Entwicklung, die historisch belegt sei. Die gesetzlich garantierte Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) sei demnach unverzichtbar für die Preisstabilität in der Eurozone.
Stabilität der Finanzmärkte und Herausforderungen in Europa
Angesichts des wachsenden Defizits Frankreichs und steigender Verteidigungsausgaben in Europa unterstrich de Guindos die Relevanz der europäischen Verträge für solide Staatsfinanzen. Gleichzeitig erklärte er, dass die EZB derzeit keinen Anlass sehe, über das Anleihekaufprogramm TPI zu intervenieren. Die Finanzmärkte seien aktuell „ruhig und geordnet“, und es gebe keine Anzeichen für Liquiditätsengpässe. Auch die Spreads zwischen den Staatsanleihen der Euro-Länder gäben derzeit keinen Grund zur Besorgnis.
Zuversicht für den Standort Deutschland
Der Währungshüter zeigte sich zuversichtlich bezüglich der deutschen Wirtschaft. Er erinnerte an die Zeit, als Deutschland als „kranker Mann Europas“ galt, und hob hervor, dass das Land nur sechs Jahre später wieder zum Wachstumsmotor aufstieg. De Guindos äußerte volles Vertrauen in die deutsche Wirtschaft, obwohl er die Herausforderungen nicht verkannte: Deutschland habe sich zu lange auf billige Energie aus Russland verlassen, und das bisherige Geschäftsmodell mit Fokus auf Ausfuhren in die USA und nach China stehe angesichts zahlreicher Handelsstreitigkeiten vor neuen Aufgaben. Das Sondervermögen für Infrastruktur sei jedoch eine „wichtige Weichenstellung“.
EZB-Zinspolitik: Vorsicht und Einigkeit
Zur Zinspolitik der EZB stellte de Guindos klar, dass der aktuelle Zinssatz unter den gegebenen Umständen als angemessen betrachtet werde. Diese Einschätzung basiere auf der Inflationsentwicklung, den Projektionen und der Transmission der Geldpolitik. Die Entscheidung, die Leitzinsen nicht zu senken, sei im Rat einstimmig erfolgt. Zudem herrsche Einigkeit darüber, alle Optionen offenzuhalten und den Kurs anzupassen, sollte sich die Lage ändern. De Guindos betonte, dass eine Zentralbank nicht volatil sein dürfe, im Gegensatz zu Märkten, die volatil reagierten. Daher sei ein vorsichtiges Agieren unerlässlich. (Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)