Zerfallen und aufgegeben

Geheimnisvolle Ruinen in der Wutachschlucht: Was ist hier im Schwarzwald bloß passiert?

Verlassene Mauern, eine einsame Kapelle und das leise Rauschen der Wutach: Tief in der Schlucht versteckt sich ein Ort, der einst ein Luxus-Kurort war – und dann in Vergessenheit geriet. Bad Boll, das mysteriöse Dorf am Fluss, wurde erst mondän, dann skandalös – und schließlich dem Erdboden gleichgemacht. Was ist hier bloß passiert?
Geheimnisvolle Ruinen in der Wutachschlucht: Was ist hier im Schwarzwald bloß passiert?
Geheimnisvolle Ruinen in der Wutachschlucht: Was ist hier im Schwarzwald bloß passiert?
Kapelle beim ehemaligen Bad Boll in der Wutachschlucht im Südschwarzwald.
Foto: Stefan KarlEigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Folge uns auf:

Vom Badhof zur Kur-Oase – und wieder zurück

Erstmals erwähnt wurde die schwefelhaltige Quelle im Jahr 1467, als sie zum Besitz der nahen Burg Tannegg gehörte. Schon bald entstand ein Hof – der „Badhof“ – der nicht nur Landwirtschaft betrieb, sondern auch Badegäste anlockte. Spätestens ab 1839 entwickelte sich unter Jakob Kromer aus dem Gehöft eine kleine Heilbadeanstalt. Eine chemische bestätigte: Das Wasser wirkte! Krätze, Ausschläge – manch einer schwor auf das „Boller Wasser“.

Geheimnisvolle Ruinen in der Wutachschlucht: Was ist hier im Schwarzwald bloß passiert? Bad Boll in der Wutachschlucht cropped
Bad Boll in der Wutachschlucht, Lithografie von 1875, von links nach rechts: Kleine (Hof) Kapelle als Vorläufe zur heutigen Kapelle; gefasste und überdachte Mineralquelle; Badhaus, später um eine Dependance erweitert; Hauptgebäude, (Kurhotel); dahinter Ökonomiegebäude; Wohnhaus, später Wohnhaus und Turbinenhaus. Über den Gebäuden erkennt man die Ruine Neu-Tannegg
: J. A. Binder – Buchstapler, CC BY-SA 4.0, Link

Mitte des 19. Jahrhunderts ging es dann richtig los. Badhaus, Kurhaus, Kapelle, Park mit Springbrunnen – alles wurde neu errichtet oder modernisiert. Carl Schuster, einst Freiburger Oberbürgermeister, machte Bad Boll zu einem Juwel im Tal. Sogar eine eigene Turbine versorgte den Ort mit Strom. Der Wasserfall wurde beleuchtet, Gäste flanierten an den künstlich angelegten Weihern entlang – Bad Boll war ein Ort der Hoffnung und Heilung.

Von englischer Idylle bis zum Erdrutsch

Nach Schusters Tod übernahm der Londoner „Fishing Club“ das Gelände. Die Briten interessierten sich weniger für Heilung als fürs Fliegenfischen – und nutzten die Wutach zur Forellenzucht. Doch als die Wasserqualität durch Industrieabwasser sank, verließen sie das Tal.

Es folgte ein stetes Auf und Ab: Die AOK Göppingen, später die Deutsche für Kaufmannserholungsheime, machten Bad Boll zum Genesungsheim. Die Franzosen beschlagnahmten es nach dem Krieg. Dann kam Dr. Werner Schütze, wollte eine Privatklinik betreiben – und scheiterte. 1975 brannte das Kurhaus, 1976 starb Schütze – das Ende für Bad Boll schien besiegelt.

Ein letzter Versuch kam 1981: Zwei Brüder kauften den verlassenen Ort, eröffneten eine Waldschenke, planten Schullandheime. Doch Behörden und Naturschutz stoppten den Neustart. 1992/93 wurden alle Gebäude – bis auf die Kapelle – abgerissen.

Ein Ort, der nicht loslässt

Doch Bad Boll verschwand nicht still. 1977, während der Schleyer-Entführung durch die RAF, durchkämmte das BKA das Areal – mögliche Terroristenverstecke? Man fand nichts. Später setzten sich Initiativen für den Erhalt der Kapelle ein. Der Abriss konnte verhindert werden – doch der Zugang bleibt schwer, die Sanierung zäh.

Geheimnisvolle Ruinen in der Wutachschlucht: Was ist hier im Schwarzwald bloß passiert? Englaenderallee 2 1
Überreste der Engländer-Allee
Foto: Spitzkehre – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Dazu kam 2017 ein massiver Erdrutsch, der rund 50.000 Kubikmeter Geröll ins Tal schickte. Die Wege wurden verschüttet, der Ort praktisch abgeschnitten. Und dennoch: Die Quelle sprudelt. Die Kapelle steht. Und wer den versteckten Pfad wagt, spürt noch heute die Magie dieses verlorenen Ortes.

Anzeige

Das Könnte Sie auch interessieren

Mehr von InsideBW.de

Das könnte dich auch Interessieren – mehr aus dem Netz

Anzeige

Neueste Artikel