Neun Jahre. 3.285 Tage. So lange sitzt Falk Klopfer in einer Zelle. Draußen dreht sich die Welt weiter, drinnen bleibt die Zeit stehen. Sein Stempel: Mörder. Sein Leben: vorbei. Doch was, wenn das Urteil das eigentliche Verbrechen war?
Heute Abend um 20.15 Uhr schickt das ZDF mit „Ein Fall für Conti – Der verlorene Sohn“ keinen gewöhnlichen Krimi ins Rennen. Es ist ein düsteres Kammerspiel der Justiz, das dort anfängt, wo andere aufhören: nach dem Urteil. Ein anonymer Anruf reißt alte Wunden auf – und plötzlich steht nicht mehr die Schuld des Verurteilten zur Debatte, sondern die Unschuld des Systems.

© ZDF/Peter Drittenpreis
Lohnt sich das Einschalten? Absolut. Wer Justizdramen liebt, die nicht an der Oberfläche kratzen, sondern tief in die moralischen Abgründe blicken, kommt heute nicht an Conti vorbei.
Ein Anruf wie eine Bombe
Anna Conti (grandios: Désirée Nosbusch) kennt die Abgründe der Menschen. Doch dieser Fall ist anders. Er rüttelt an den Grundfesten. Der anonyme Anrufer liefert keine vagen Hinweise, er liefert Details, die nur ein Insider kennen kann. Plötzlich steht die Frage im Raum, die jeder Staatsanwalt fürchtet: Wurde damals schlampig ermittelt? Oder schlimmer: Wurde bewusst weggesehen?
Conti spürt sofort: Hier geht es nicht nur um Falk Klopfer. Hier geht es um Eitelkeiten, um Karrieren und um die Angst, Fehler zuzugeben. Je tiefer sie gräbt, desto klarer wird: Die Wahrheit ist für manche Leute gefährlicher als die Lüge.

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Zwei Frauen gegen den Rest der Welt
Das Spannendste an diesem Abend ist jedoch die Konstellation im Gerichtssaal. Anna Conti, die abgebrühte Verteidigerin mit den scharfen Instinkten, muss mit Henry Mahn (Malaya Stern Takeda) zusammenarbeiten – jener jungen Staatsanwältin, die eigentlich auf der Gegenseite steht.
„Wer deckt hier wen – und warum?“
Es ist ein Bündnis wider Willen. Mahn kämpft an zwei Fronten: gegen die Zweifel am Fall und gegen ihren eigenen Vorgesetzten. Oberstaatsanwalt von Thun (Peter Lohmeyer) agiert mit einer Kälte, die frösteln lässt. Seine kryptischen Andeutungen und sein aggressives Interesse, die Akte geschlossen zu halten, machen ihn zum eigentlichen Antagonisten des Abends. Ein Mann, der das Recht vertritt, aber vielleicht nur seine eigene Haut rettet.

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Ein Wettlauf gegen die Schatten
Aus dem juristischen Tauziehen wird schnell ein Thriller. Die wichtigste Zeugin, Gizem Amini, verschwindet spurlos. War es Flucht? Oder wurde sie zum Schweigen gebracht?
Für Conti und Mahn beginnt ein Countdown. Sie rekonstruieren Tathergänge, zerpflücken Alibis und stoßen auf Ungereimtheiten, die neun Jahre lang unter den Teppich gekehrt wurden. Die beklemmende Erkenntnis: Vielleicht sitzt der falsche Mann hinter Gittern – und der wahre Täter läuft frei herum, geschützt von genau den Leuten, die eigentlich für Gerechtigkeit sorgen sollen.
Fazit: Ein Krimi, der moralische Schmerzen bereitet
„Der verlorene Sohn“ ist keine leichte Kost für den Feierabend. Er fordert den Zuschauer. Regisseur Nathan Nill inszeniert Hamburg nicht als Postkarten-Kulisse, sondern als graues Labyrinth aus Beton und Glas, in dem die Wahrheit leicht verloren geht.
Dieser Film endet nicht mit dem Abspann. Er hinterlässt Fragen:
- Wie viel ist ein Menschenleben wert, wenn es gegen das Ansehen der Justiz steht?
- Und wer profitiert davon, wenn die Lüge bestehen bleibt?
Einschaltbefehl für heute Abend. Désirée Nosbusch liefert eine Performance ab, die unter die Haut geht – rau, verletzlich und gnadenlos gut.
Ein Fall für Conti – Der verlorene Sohn Heute, Montag, 1. Dezember 2025 20.15 Uhr im ZDF (Bereits in der Mediathek abrufbar)
Besetzung & Stab
Die Rollen:
- Anna Conti: Désirée Nosbusch
- Henry Mahn: Malaya Stern Takeda
- Carlo Hehenkamp: Maximilian Mundt
- Oberstaatsanwalt von Thun: Peter Lohmeyer
- Friedrich Klopfer: Michael Wittenborn
- Falk Klopfer: Sebastian Urzendowsky
- Gizem Amini: Roxana Safarabadi
Hinter der Kamera:
- Buch: Lucas Thiem
- Regie: Nathan Nill
- Kamera: Peter Drittenpreis
- Musik: Marco Dreckkötter
- Schnitt: Tina Freitag
- Produktion: ZDF / arte
- Drehort: Hamburg