Der Wirtschaftsweise Martin Werding hat den jüngsten Vorschlag von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zur Rentenreform scharf kritisiert. Der Vorschlag sieht vor, das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln. Werding äußerte gegenüber dem „Handelsblatt“ (Dienstagsausgabe) Bedenken und bezeichnete den Ansatz als „nicht neu und wenig zielgenau“.
„Es klingt nach einer sinnvollen Flexibilisierung der Regelaltersgrenze. Es ist aber nicht ersichtlich, wie er das Rentensystem insgesamt tragfähig machen soll“, führte Werding aus. Er betonte, dass eine solche Kopplung die Altersgrenze insgesamt nicht nach hinten verschieben würde, was wiederum bedeute, dass auch keine erheblichen finanziellen Einsparungen zu erwarten seien. Dies stehe im Widerspruch zu den notwendigen Reformen, um das Rentensystem zukunftsfähig zu machen.
Werding befürchtet zudem, dass der Vorschlag soziale Ungleichheiten verstärken könnte. Seiner Ansicht nach würde die Kopplung an die Beitragsjahre dazu führen, dass viele Menschen, die es „nicht nötig haben“, früher in Rente gehen könnten. „Gutverdienende Facharbeiter und eher Männer als Frauen“ wären hier laut Werding im Vorteil. Er zog einen Vergleich zur „Rente mit 63“ für besonders langjährig Versicherte, bei der viele Sozialdemokraten suggerierten, dass es sich um abgeleistete Arbeit handle. Tatsächlich sei es jedoch „eher der goldene Handschlag für die Elite der Facharbeiter“, wie der Bochumer Ökonom betonte.
Ein weiterer Kritikpunkt Werdings ist, dass der Vorschlag gerade die Härtefälle nicht erreichen würde. „Andersherum würde die Kopplung an die Beitragsjahre eben nicht die Härtefälle erreichen, die etwa wegen Krankheiten gar nicht viele Jahre in die Rentenkasse einzahlen können.“ Dies würde die Situation für Menschen mit geringen Beitragszeiten, oft aufgrund von Krankheit oder Pflegeaufgaben, weiter erschweren.
Zudem sieht Werding einen negativen Einfluss auf das Bildungssystem. Er warnte davor, dass die Neuerung „das Grundprinzip aushebeln, dass man Lebenszeit für Bildung investieren kann und dafür – im besten Fall – mehr Rente bekommt“. Insbesondere der Anreiz für ein Studium könnte dadurch geringer werden, da eine längere Ausbildungszeit weniger Beitragsjahre bedeuten würde und somit potenziell eine spätere Rente. Dies könnte langfristig negative Auswirkungen auf die Qualifikation der Arbeitskräfte und die Innovationskraft des Landes haben.
(Mit Material der dts Nachrichtenagentur erstellt)




